Evangelische Kirchengemeinde

Hilgenroth

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Ihr Pfarrer Joachim Triebel-Kulpe

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Kanzelreden

Kanzelrede von Monika Otterbach

Kanzelrede von Monika Otterbach am Sonntag, den 22.Mai 2022

Die Ev. Kirchengemeinde Hilgenroth lädt nicht ordinierte Personen aus Politik und Gesellschaft ein, um in einem Gottesdienst eine Kanzelrede zu halten. Die Kanzelrede von Monika Otterbach können Sie hier nachlesen.

 

Warum ich beim Glauben geblieben bin – Psalm 91

 

Liebe Gemeinde, über was soll ich reden?

Mit dieser Frage beschäftigte ich mich, nachdem ich angesprochen wurde, ob ich eine Kanzelrede halten würde.

Es wurde mir völlig frei gestellt, welches Thema ich wählen möchte, keine Vorgabe von Predigttext, Bibelwort oder Sonstigem.

„Worüber haben die Ortsbürgermeister vor mir in der Kanzelrede gesprochen?“ fragte ich.

Zwei haben erzählt, wie sie zum Glauben gefunden haben, eine hat ihren Konfirmationsspruch zum Thema gewählt.

Diesen Hinweis habe ich aufgegriffen und versuche beides, meinen Konfirmationsspruch und warum ich beim Glauben geblieben bin, zu vereinen.

Das Wirken Gottes in meinem Leben konkret zu deuten, ist nicht leicht. Ängste und Zweifel gehören zu einem lebendigen Glauben. Höhen und Tiefen gehören zu unseren lebendigen Beziehungen, zu unseren Menschenbeziehungen und auch zu unserer Gottesbeziehung.

Für die Jünger damals war es und für uns heute ist es oft so schwer zu verstehen, dass schwere und stürmische Zeiten, die unruhige See und bedrohlicher Gegenwind die Gegenwart und die Macht Gottes nicht in Frage stellen.

 Und auch wenn Spuren von Gottes Liebe und Zuwendung unser Leben durchziehen und prägen, es bleibt immer wieder schmerzliche Erfahrung.

Unsere Herzen leiden an Zweifeln, an Ängsten und dem Gefühl vermeintlicher Gottverlassenheit. Die Erfahrungen von Unrecht, Ignoranz, von Bosheit und Feindseligkeit bedrücken und bedrängen.

Wir Menschen kennen das Gefühl von Gott und der Welt unverstanden, verraten und verlassen zu sein. Wir kennen diese Wut im Bauch, die Angst und das Verletzt sein, das Misstrauen und die Feindseligkeit.

Gottes Licht und Gottes Wahrheit sind so etwas wie eine Brille vor unseren Augen, uns den Blick für die Achtung voreinander, für ein friedliches Miteinander, für Respekt und Achtung vor Gegnern und Andersdenkenden zu schärfen. Denn meine eigene Würde als Mensch zu wahren und zu verteidigen gelingt nur, wenn auch die Würde des Anderen gewahrt bleibt. Niemand steht so fest im Glauben, dass er oder sie nicht auch wanken würden. Vor allem der Anblick oder die Erfahrung von Leiden bringen uns die drängenden Fragen:

Gibt es Gott?

Und wenn es Gott gibt, wie kann Gott das zulassen?

Natürlich hadern wir. Und wir spüren auch den Stachel, der uns immer wieder anbohrt. Manchmal braucht es Mut, sich auf die Suche nach einem Weg zur Gotteserfahrung zu machen.

Dieser Weg aber lohnt sich, denn erfahrener und gelebter Glaube gibt unserem Leben eine Tiefe, die nicht käuflich ist. Es geht um Halt und Orientierung in diesem Leben und weit darüber hinaus.

 Wie sehr wir Schutz brauchen, ist zuzeiten besonders deutlich.

Nicht vergessen kann ich den Winter, in dem das Dach einer Eissporthalle einstürzte, Menschen starben, die meisten von ihnen waren Kinder. Das ist furchtbar, das hat keinen von uns unberührt gelassen. Kinder, die sich in den Ferien mit Freunden, Eltern, Geschwistern einen schönen Tag beim Schlittschuhlaufen machen wollten.

Wie kann Gott so etwas zulassen?

Doch können wir Gott verantwortlich machen, wenn Menschen versagen? Ja, ist es überhaupt sinnvoll, ständig zu fragen: Wer war schuld?

Niemand verursacht doch ein solches Unglück mit Absicht. Wir können nur daraus lernen, dass es notwendig ist, Gebäude regelmäßig zu kontrollieren, zu warten. Und diejenigen, die so oft schimpfen, in Deutschland gäbe es viel zu viele Vorschriften, sollten auch schauen, dass es manchmal gut ist, wenn genau geregelt wird, was beim Bauen erlaubt ist und was nicht.

Ich denke an die Flüchtlinge dieser Welt. So unendlich viele gibt es, die ihre Heimat verlassen müssen, weil sie aufgrund von Gewalt, Hunger oder Umweltzerstörung keinen lebensfähigen Raum mehr haben. Von vielen Flüchtlingen ist zu hören:

Nur weg aus der Heimat, an einen Ort, an dem es sich sicher leben lässt. Heraus aus Angst um mein Leben, um das meiner Kinder. Die Hoffnung, irgendwo sicher leben zu können.

 Es gibt unendlich viele Geschichten von Menschen, die verzweifelt versuchen mit Booten Europa zu erreichen. Nur weg aus Afrika aus Elend und Perspektivlosigkeit. Nur weg aus der Ukraine wo ein furchtbarer Krieg wütet.

Wieder die Frage: Wie kann Gott das zulassen?

Ja, Gott kann fremd werden, es mag sein, dass wir zweifeln. Und doch erfahren Menschen so wie ich, immer wieder, dass sie gerade im Leiden von Gott gehalten sind. Gott will das Gute für die Menschen. Und wo auch Gott Leid nicht verhindern kann, dürfen wir glauben, dass Gott uns beisteht. Denen, die um ihre Toten weinen, denen die verletzt sind, den Helfern, die mit dem Erlebten fertig werden müssen.

Ich betrachte Deutschland, vielleicht auch Westeuropa als meine Heimat.

Deutschland geht es- trotz Pandemie- gerade im internationalen Vergleich gut. Die Arbeitslosigkeit ist nach wie vor niedrig, die Wirtschaft läuft und das Sozialsystem funktioniert. Mit Milliardensummen hat der Staat Hilfspakete geschnürt, um den Menschen zu helfen.

 Ich bin so dankbar hier leben zu dürfen, es ist ein Privileg. Ich liebe die unterschiedlichen Landschaften. Ich schätze die Kultur. Ich kenne die Geschichte.

 Hier gibt es das Recht auf Versammlungs- und Meinungsfreiheit –ein hohes Gut-. In vielen Ländern gibt es solche Rechte nicht.

Hier bin ich verwurzelt. Hier weiß ich, wie die Menschen „ticken“. Ich lebe gerne in unserer Gemeinde. Wir haben die Kirche im Dorf, worüber ich sehr froh bin. Hier sind in der kirchlichen und politischen Gemeinde die Menschen mit den verschiedensten Gaben am Werk.

Ich habe erfahren, wie wichtig es ist, dass die unterschiedlichen Gaben zum Tragen kommen können. Entscheidend für die Gemeinschaft soll sein, dass dadurch ein solidarisches Miteinander entsteht im Respekt vor dem, was der oder die andere leistet.

Vor allem leben hier die Menschen, die ich liebe meine Kinder, die erweiterte Familie, Freundinnen und Freunde.

Das Leben ist kein ruhiger Fluss, es gibt Höhen und Tiefen. Das macht das Leben ja lebenswert, spannend, lebendig.

Schwere Erfahrungen lassen die Menschen auch reifen. Wer glaubt, kann der Tatsache ins Gesicht sehen, dass die uns geschenkte Zeit begrenzt ist.

Das verändert den Blick auf das Leben, macht es bewusster, wie verletzlich es ist.

Eine wunderbare Erfahrung in meinem Leben ist die Geburt meiner Kinder und Enkelkinder. Es stimmt schon, eine Schwangerschaft ist das Normalste von der Welt. Aber trotzdem bleibt sie ein Wunder. Dass ein Mensch in einem Menschen heranwächst, sich Schritt für Schritt entwickelt, das kann keine Technik der Welt nachmachen.

 Was Technik , Medizin und Wissenschaft in den vergangenen Jahrzehnten für Fortschritte gemacht haben ist wahrlich gigantisch.

Beim Betrachten von Gottes wunderbarer Schöpfung komme ich nicht aus dem Staunen heraus. Das ist so großartig, überwältigend, einzigartig.

Im Laufe meiner Lebensjahre haben Trauer, Verzweiflung, Hilflosigkeit und Wut mein Denken und Fühlen besetzt. So manches Mal habe ich gerufen: „hier bin ich, lieber Gott hast du mich übersehen?“

Nein, er hat mich nicht übersehen, er hat gesorgt.

Nicht so wie ich es mir gewünscht hätte, aber er hat auf mich Acht gegeben, er hat wahr genommen, was geschehen ist, wer ich bin, was ich lebe, er hat mir gegeben und gibt mir was ich brauche, er ist nahe.

Ich durfte und darf Freude, Glück und viele positive Momente erleben, tolle, bewundernswerte Menschen treffen. Er schenkt mir Gelassenheit und Heiterkeit, die beste Grundhaltung für ein Leben auf den Flügeln der Hoffnung.

In jedem Fall bedeutet für mich Glauben in der eigenen Lebenspraxis, dass ich manches Mal die notwendige innere Freiheit finden kann, eine himmlische Perspektive sozusagen. Es geht darum, eine Liebe zu den kleinen Dingen des Lebens, das kleine Glück zu entdecken, Dankbarkeit empfinden.

Rückblickend denke ich heute, dass mein Konfirmationsspruch aus dem Jahr 1965 mich in meinem Leben begleitet hat.

Psalm 91:

Wer im Schutz des Höchsten wohnt und ruht im Schatten des Allmächtigen, der sagt zum Herrn: Du bist für mich Zuflucht und Burg, mein Gott, dem ich vertraue.

Am Ende des Psalms steht die Selbstaufforderung zu innerer Festigkeit, die Dankbarkeit und Gewissheit:

Gott ist meine Hilfe. Er ist bei mir, mitten in meinen Ängsten und Sorgen.